Die Europäische Akademie der Wissenschaften (EASAC) und die Europäische Akademie der Medizin (FEAM) haben davor gewarnt, dass einzelne Zelltherapien vorschnell auf den Markt gebracht werden.

Gesetzgeber in der EU sollten Patienten vor falschen und riskanten Zusagen schützen, heißt es in einem gemeinsamen Bericht über Herausforderungen und Chancen der regenerativen Medizin, über den die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwochausgabe) berichtet. "Stammzell- und genbasierte Therapien beinhalten große medizinische Versprechen."

Es gehe nicht an, dass immer geringere Anforderungen an die wissenschaftliche Beweislage zum Nutzen dieser Therapien gestellt werden, bevor diese Anwendung an Patienten finden. Unterdessen sagte Volker ter Meulen, Vorsitzender der gemeinsamen Arbeitsgruppe von EASAC und FEAM: "Wir sehen ein wachsendes Problem darin, dass kommerzielle Kliniken unregulierte Produkte und Dienstleistungen anbieten."

EASAC und FEAM zufolge sind die Behörden mancher Länder angesichts des starken Wettbewerbs auf dem globalen Gesundheitsmarkt zuletzt immer toleranter geworden. "Analysten erwarten, dass der Markt für regenerative Medizin in den nächsten Jahren schnell wachsen wird. Es ist nur natürlich, dass dies Hoffnungen auslöst - sowohl bei verzweifelten Patienten als auch bei der Biotech-Industrie", sagte Giulio Cossu von der University of Manchester.

Im Ergebnis werden Behörden unter Druck gesetzt, die Zulassungsprozesse für stammzell- und genbasierte Therapien zu beschleunigen. "Aber dieser Trend setzt Patienten einem Risiko aus." Laut den Experten sind verschiedene Stammzelltherapien jetzt zum Greifen nahe. Die Wissenschaft stehe derzeit an der Schwelle, Krankheiten mit solchen Ansätzen heilen zu können, heißt es in dem Bericht.

Aber zugleich sei bei vielen Krankheiten eben noch mehr Forschung nötig, vor allem bei den komplexen polygenetischen Leiden, denen mehr als ein einzelner Gendefekt zugrunde liegt, und den im Laufe des Lebens  erworbenen degenerativen Krankheiten. Wenn nun die wesentlichen wissenschaftlichen Fragen vor der Zulassung nicht mehr beantwortet werden, hätte dies zur Folge, dass Investitionen verschwendet würden, Forschungsanstrengungen ungenutzt blieben und Hoffnungen auf Heilung enttäuscht würden.

"Wenn Länder nun in ihrem Eifer, nationale ökonomische Interessen zu stützen, ihre Zulassungsstandards herabsetzen, ist es umso wichtiger für die EU als Global Player, die Prinzipien hochzuhalten", sagte FEAM-Präsident George Griffin. "Auch wir wünschen uns, dass Therapien in möglichst kurzer Zeit verfügbar sind. Aber dies sollte solide, transparent und evidenzbasiert geschehen." Die EU und die nationalen Behörden sollten sich hüten, das öffentliche Vertrauen in die Wissenschaft zu unterlaufen.