Als Patient wünscht man sich eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit der Weißkittel-Zünfte - vor allem im diagnostischen Bereich.

Es gäbe dann weniger Fehldiagnosen und: die Arztbesuche reduzierten sich drastisch. So kann ein guter Diagnostiker dank seiner Intuition und seiner Erfahrung selbst ohne aufwändigen Gerätepark der eigentlichen Ursache einer nebulösen Krankheit auf die Spur kommen.

von Hans-Jörg Müllenmeister

Diese Krankengeschichte steht beispielhaft für die Patientenschar, die einen ähnlichen Irrweg durchleben. Es begann mit einem Treppensturz „nach oben“ mit Muskelfaseranriss im linken hinteren Oberschenkel. Seitdem wanderten ständig Schmerzen in beide Oberschenkel, außerdem im Knie und im unteren Lendenwirbelbereich.

Dazu gab es unterschiedliche Diagnosen von insgesamt sieben konsultieren Orthopäden: Rücken, Hüfte, Arthrose allg., Zyste im Knie mit Schleimbeutelentzündung (das letztere stimmte). CT-Aufnahmen vom Knie, Lendenwirbel, Hüfte; Entzündung im lliosakralgelenk. Wegen der verdammten Schmerzen in diesem Bereich verballhornte ich es in „Iso-sakradi“-Gelenk. Übrigens ein „Ortho-bläder“ schaute nicht mich als Patienten an, sonder starrte nur in seinen PC, um dann pfeilschnell die Diagnose „die Hüfte ist es“ abzuschießen.

Zum wiederholten Mal wurde dann auch eine Divertrikulose/Divertrikulitis festgestellt. Bei der Divertrikulose handelt es sich um Dickdarmwand-Ausstülpungen, bei einer Divertrikulitis haben sich die Ausstülpungen entzündet. Beschwerden: Schmerzen im linken Unterbauch, starke Blähungen. Dagegen half eine Antibiotika-Behandlung, ergänzend diverse Tees, Flohsamen, Bitterstoffe und eine basische Ernährung, also Gemüse-Stumpfs aus Brokkoli, Rote Beete oder Grünkohl.

Dann aber: Mit Blutdruckwerte von 188/100 wurde ich mit Verdacht auf Herzinfarkt (inzwischen der vierte) ins Krankenhaus gebracht. Ich landete zunächst in der Abteilung für Innere Medizin, vermutlich wegen der Schmerzen im Darm- und Brustbereich. Zielführend war schließlich ein 24-Stunden-EKG. Es zeigte eine Pulsfrequenz im Schlaf von 32 Schlägen/min (Bradykardie). Man empfahl einen Herzschrittmacher.

Verlegt in die Kardiologie, implantierte man einen Zweikammer-Schrittmacher, der auf eine Mindestschlagfrequenz von 60 programmiert war. Die beiden Elektroden werden dabei durch ein Schraubsystem in der rechten Herzkammer und im Herzvorhof verankert. Der Eingriff bei Sedierung verlief ohne Komplikationen. Nach der Entlassung hatte ich allerdings gewisse Atemnot: Bei jedem Einatmen entstand ein starkes Druckgefühl in Brust und Hals.

Wieder im Krankenhaus gelandet, deutete der Kardiologe diese Beschwerden als postoperative Komplikation, verursacht durch Flüssigkeitsansammlung im Brustkorb unter dem großen Brustmuskel. In der Tat, denn die Schmerzen verschwanden nach einiger Zeit, aber zu meinem Erstaunen auch die ewigen Darmbeschwerden und Gliederschmerzen. Zudem nahm die starke Nachtschweißbildung deutlich ab.

Meine erste Erkenntnis daraus: Mit dem „getriggerten“ Herzen (Ruhe-Puls jetzt bei 60) wird der Dickdarm besser mit Blut versorgt. In der Folge scheint darauf auch die Darm-Peristaltik (muskuläre Darmbewegung) besser zu funktionieren, ebenso die übrigen Körperregionen. Endlich kann ich mich seit Jahren wieder schmerzfrei bewegen. Welche Wohltat! Übrigens versorge ich neuerdings meinen Darm morgens mit Haferflocken, Joghurt, Waldbeeren und Walnüssen - also keine Flohsamen. Die Einnahme von Curcuma und Astaxanthin behielt ich bei (gegen Entzündungen und Freie Radikale im Körper).

Rückblickend war das ein Spießrutenlauf durch den Weißkittel-Parcours im Labyrinth aus Ärzteschaft und Physiotherapeuten. Man sieht daran, wie komplex der menschliche Körper ist. Nach vielen Fehldiagnosen kristallisiert sich heraus:

Erst die bessere Blutversorgung gab dem Darm und dem Bewegungsapparat eine neue Lebensqualität. Das Fazit meines jahrelangen Irrwegs durch den Medizin-Parcours gipfelt in der Umkehr dieser Bayrischen Volksweisheit:

Wenn's Arscherl brummt, is Herzerl g'sund.

Die nachträgliche Internet-Recherche ergab: Es kann sich um das sogenannte Roemheld-Syndrom handeln, benannt nach dem Arzt Ludwig von Roemheld (1871–1938), der die Zusammenhänge dieses gastrogen-kardialen Symptomenkomplexes Anfang des letzten Jahrhunderts erstmals erkannte und beschrieb.

Das ursprüngliche Krankheitsbild ist eine übermäßige Gasbildung im Magen-Darm-Trakt mit den Symptomen: stetiges Völlegefühl, aufgedunsener praller Bauch und quälende Blähungen.

Fakt ist, dass der Arzt gewöhnlich nur sein spezielles Fachgebiet behandelt, so der Gastroenterologe den Magen und Darm, der Kardiologe das Herz. Fragt man nach interdisziplinären Zusammenhänge, bekommt man nur vage Schein-Antworten.

Die Ursachen des Roemheld-Syndroms sind also übermäßige Gasansammlungen im Magen-Darm-Trakt. Durch sie wird das Zwerchfell massiv nach oben gedrückt, was wiederum eine Enge und einen Druck in der Brust bzw. in den darüber liegenden Organen Lunge, Herz und auch dem Hals auslöst (fehldiagnostiziert als Angina pectoris).