Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat die Bundesregierung aufgefordert, die massiven Einschränkungen im öffentlichen Leben schon jetzt klar zu befristen und ein Ausstiegsszenario vorzubereiten.

"Ich glaube nicht, dass wir das, was wir jetzt tun, monatelang fortführen können. Die jetzigen Einschränkungen hält unsere Gesellschaft nicht ewig durch", sagte Reinhardt dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Freitagausgaben). "Die Ängste und Sorgen würden die Menschen psychisch überfordern", warnte der Chef der Bundesärztekammer. Man solle den Menschen deshalb schon aus psychologischen Gründen vermitteln, dass die jetzt eingeleiteten Maßnahmen zeitlich begrenzt sind. Ausgangssperren lehnte Reinhardt strikt ab.

Er forderte, jetzt an einem Ausstiegsszenario zu arbeiten. "Wir müssen uns Gedanken machen für den Tag X, wenn die jetzigen Maßnahmen wie Schulschließungen beendet werden. Wir müssen die knapp bemessene Zeit nutzen, die wir uns jetzt erkauft haben."

Unstrittig sei, dass Menschen ab 65 Jahren besonders gefährdet sind. "Diese Menschen und andere Risikogruppen wie chronisch Kranke müssen darauf vorbereitet werden, dass die jetzt geltenden Einschränkungen für sie länger gelten", sagte er. "Wir brauchen umfassende Maßnahmen, um diese Bevölkerungsgruppe isolieren zu können, während sich das öffentliche Leben wieder schrittweise normalisiert."

Dazu gehöre die Frage, wie diese Menschen mit allem Lebenswichtigen zu Hause versorgt werden könnten, ohne selbst auf die Straße gehen zu müssen, so der Ärztepräsident. "Wichtig ist, dass wir Risikogruppen isolieren, dann können wir durch eine langsame und kontrollierte weitere Ausbreitung in der jüngeren Bevölkerung einen Durchseuchungsgrad erreichen, der die Epidemie zum Ende bringt."

Ausgangssperren lehnte Reinhardt klar ab. Sie seien "kontraproduktiv", sagte er. "Damit schaffen sie eine gespenstische Atmosphäre, die die Menschen extrem ängstigt. Das kann auch dazu führen, dass die Solidarität in der Gesellschaft, auf die wir jetzt dringend angewiesen sind, auseinanderbricht", warnte er. Es bleibe nur die Möglichkeit, an die Vernunft der Menschen zu appellieren. "Das muss man gebetsmühlenartig immer weiter tun. Ich habe aber den Eindruck, dass die Bevölkerung zunehmend den Ernst der Lage erkannt hat und mitzieht", so der Ärztepräsident.