Der Chef des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, Vasant Narasimhan, dämpft die Hoffnung auf schnelle Erfolge in der Suche nach einem Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus.
„Wir müssen realistisch bleiben“, sagte Narasimhan im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (F.A.Z./Freitagsausgabe). Bis ein Impfstoff Marktreife erlange, vergingen normalerweise zehn bis zwölf Jahre. „In manchen Fällen wie bei HIV und Malaria warten wir bis heute auf den Durchbruch. Was das neuartige Coronavirus angeht, sollten im Herbst die Ergebnisse der ersten klinischen Studien zu den Impfstoffkandidaten vorliegen. Optimistisch betrachtet, das heißt, wenn alles so läuft, wie wir es erhoffen, dürfte es 24 Monate dauern, bis wir einen Impfstoff haben“, sagte Narasimhan der F.A.Z.
Der Novartis-Chef erinnerte daran, dass bei früheren Seuchen wie der Schweinegrippe immer zuerst die reicheren Länder mit Impfstoffen versorgt worden seien, während die ärmeren Länder erst in einer zweiten Welle drangekommen seien. „Es wäre wünschenswert, wenn man in diesem Fall so große Produktionskapazitäten aufbauen könnte, dass Menschen überall auf der Welt zur gleichen Zeit geholfen werden kann. Danach müssen wir streben.“ Am Geld werde die Entwicklung eines Impfstoffs nicht scheitern. „Das Problem wird sein, in möglichst kurzer Zeit die Produktion auf die Beine zu stellen. Es dauert normalerweise drei bis vier Jahre, um eine Impfstoff-Fabrik zu bauen. Das ist viel zu lang. Wir müssten also das vorhandene Produktionsnetzwerk nutzen, um schnell große Mengen herstellen zu können.“
Zum Novartis-Malariamedikament Hydroxychloroquin, das der amerikanische Präsident Donald Trump zur Behandlung von Covid-19 empfohlen hat, erklärte Narasimhan, dass man zunächst qualitativ hochwertige Studienergebnisse abwarten müsse. „Wir hoffen, dass die nun laufenden klinischen Studien, darunter auch eine gemeinsam mit der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA, bis zum Juli oder August zeigen, ob Hydroxychloroquin eine positive Wirkung entfaltet oder nicht.“
Der Novartis-Chef regte an, flexible Plattformen aufzubauen, die dazu befähigen, künftig schneller auf den Ausbruch eines neuen Virus zu reagieren. „Wir dürfen nicht darauf warten, dass das nächste Virus auftaucht. Das Problem ist nur: Wir wissen nicht, welches Virus als nächstes kommt. Wir laufen also Gefahr, viel Energie in das Coronavirus zu stecken – und dann kommt eine ganz andere Art von Angreifer um die Ecke.“